Reerdigung: Bestattungskultur durch menschliche Kompostierung?!

Die Reerdigung

Inmitten der Debatte um umweltfreundliche Praktiken setzt ein junges Startup auf die ‚Reerdigung‘ als innovative Bestattungsform. Der menschliche Körper wird hierbei statt klassisch zu Grabe getragen zu nutzbarem Humus verwandelt. Die sog.’Reerdigung‘, bei der Körper in einem speziellen Kompostbehälter zersetzt werden, postuliert ökologische Vorteile. Steht diesem einfachen Wiederverwertungs-Aspekt aber eine spirituelle Perspektive gegenüber bzw. entgegen?

In einer Zeit, in der ökologische Nachhaltigkeit zunehmend in den Fokus rückt, bringt ein innovatives Startup eine neue Form der Bestattung ins Gespräch, die das traditionelle Modell herausfordert. Die sogenannte „Reerdigung“ oder Körperkompostierung hat das Potenzial, die Bestattungsindustrie zu revolutionieren und gleichzeitig ökologische Vorteile zu bieten. Während in Schleswig-Holstein bereits gesetzliche Anpassungen vorgenommen wurden, um diese Bestattungs-Methode zu ermöglichen, gibt es andernorts sowohl Zustimmung als auch harsche Kritik.

Das Konzept der Reerdigung

Die Reerdigung zielt darauf ab, den menschlichen Körper auf eine umweltfreundliche Weise in Erde zu verwandeln. Im Gegensatz zur traditionellen Einäscherung, bei der der Körper in einem Krematorium verbrannt wird, oder der Erdbestattung, bei der der Körper in einem Sarg beigesetzt wird, wird bei der Reerdigung der Körper in einem speziellen Behälter, genannt „Kokon“, platziert. Dieser Kokon ist mit einem Bett aus Pflanzenmaterial ausgestattet, das für eine optimale Zersetzung sorgt. Innerhalb des Kokons beginnen Bakterien und Mikroorganismen den Körper zu zersetzen, sodass innerhalb von etwa 40 Tagen ein nährstoffreicher Humus entsteht. Der Kokon sorgt für ein warmes und feuchtes Klima, das für die Bakterien und Mikroorganismen, die für die Verwesung verantwortlich sind, ideal ist. Diese Bedingungen sind vergleichbar mit denen in tropischen Regionen, wo die Zersetzung schneller voranschreitet. Während des Zersetzungsprozesses werden verbleibende Knochen und Zähne zerkleinert und dem Humus hinzugefügt.

Kritik und Herausforderungen

Trotz der vielversprechenden ökologischen Vorteile gibt es auch erhebliche Kritik an der Reerdigung. Während der Ansatz umweltfreundlich ist und den natürlichen Kreislauf von Werden und Vergehen schließt, wird die Methode von einigen als Ausdruck einer zunehmenden Entmenschlichung des Menschen angesehen. Der Körper wird nicht nur nach dem Tod in einen anderen Zustand überführt, sondern auf eine Weise, die ihn eher als biologisches Material denn als individuelles Wesen betrachtet. Diese Entwicklung wirft Fragen zur menschlichen Geistigkeit und Spiritualität auf, da sie den Menschen auf eine rein materielle Ebene reduziert – als eine Art „Dünger“ oder „Ersatzteillager“. Diese Perspektive könnte als unzureichend respektvoll gegenüber der menschlichen Würde und dem emotionalen Wert angesehen werden, den viele Menschen mit dem Tod und der Erinnerung an die Verstorbenen verbinden. Kritiker befürchten, dass solche Praktiken
den spirituellen Aspekt von Menschlichkeit und Bestattung ausblenden könnten, indem sie den menschlichen Körper auf eine rein funktionale und utilitaristische Weise behandeln. Die Herausforderung besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen ökologischer Verantwortung und der Achtung vor den spirituellen und emotionalen Bedürfnissen der Hinterbliebenen zu finden.

Ausblick und gesellschaftliche Relevanz

Die Reerdigung stellt einen innovativen Ansatz dar, um den ökologischen Fußabdruck der Bestattungsindustrie zu reduzieren. Mit der Verwandlung des Körpers in fruchtbare Erde könnten wichtige Nährstoffe wieder in den Boden zurückgeführt werden, was potenziell zur Bodenverbesserung beiträgt und die Umwelt schont. Diese Methode könnte langfristig eine bedeutende Rolle in der nachhaltigen Bestattungskultur spielen, insbesondere in einem sich wandelnden gesellschaftlichen Bewusstsein für Umweltfragen.

Jedoch muss die Diskussion um die Reerdigung auch den Raum für tiefere Reflexionen über menschliche Werte und die spirituelle Bedeutung des Todes zulassen. Die Akzeptanz dieser Methode wird davon abhängen, wie gut es gelingt, ökologische Vorteile und respektvolle Bestattungspraktiken in Einklang zu bringen. Die Gesellschaft steht vor der Aufgabe, neue Bestattungsformen kritisch zu prüfen und sicherzustellen, dass sie sowohl den ökologischen als auch den emotionalen und spirituellen Bedürfnissen gerecht werden.

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