Nachhaltigkeit – heute und vor 300 Jahren

Von der Lebensmittel- bis zur Textilindustrie wird mit nachhaltigen Herstellungs- und Entsorgungsverfahren geworben. Politiker versprechen nachhaltige Umweltpolitik, Entwicklung, Bildung. Heute ist Nachhaltigkeit jedem ein Begriff, sie ist ein anerkanntes Ziel. Damit es aber so weit kam, war ein langer Weg nötig, zu dem schon vor 300 Jahren der Anstoß gegeben wurde. Die Ursprünge des Wortes, das wir heute so inflationär gebrauchen, liegen in Sachsen.

Nachhaltigkeit. Ein Wort das sich heute viele auf die Fahnen schreiben. Doch ist es sehr breit und facettenreich, über Jahrhunderte gewachsen. In abgewandelter Form wurde der Begriff erstmals vor 300 Jahren verwendet.

In der Vergangenheit waren Menschen extrem abhängig von Holz. Als Werkstoff, als Energiequelle wurde es intensiv genutzt. Holz wurde als abzubauender Rohstoff gesehen, im Mittelalter wurden die heutigen deutschen Wälder auf ein Viertel ihres ursprünglichen Umfangs niedergewirtschaftet. Vor allem der Berg- und der Städtebau verschlangen Unmengen an Bäumen. Kamen für die Menschen große Katastrophen, bedeutete das Erholung für die Vegetation. Während Kriegen oder Epidemien wurden die Wälder weitgehend in Ruhe gelassen. Trotzdem wurden sie aber stetig kleiner.

Erst ab dem 17. Jahrhundert wurde man auf das sich einschleichende Problem aufmerksam. Der übermäßige Abbau von Wäldern, teilweise trotz entsprechender Verbote, führte in den ersten regionen Deutschlands zu einem Holzmangel.

Hans Carl von Carlowitz, ein Adliger, geboren auf der Burg Rabenstein bei Chemnitz, veröffentlichte zur Frühjahrsmesse 1713 sein Werk “Sylvicultura oeconomica oder haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur Wilden Baum-Zucht”. Der 500 Seiten starke Wälzer war an die damaligen Grundbesitzer gerichtet und gab genaue Tipps und Anleitungen für eine nachhaltige Forstwirtschaft. Der fortschrittliche Adlige rief seine Standesgenossen zur Verantwortung für ihre Mitmenschen und die Umwelt, zu „nachhaltender Nutzung“ des Landes und speziell der Wälder auf. Dabei orientierte er sich an Konzepten aus dem Ausland, die er auf seinen Reisen kennen gelernt hatte.

Fortschrittliche Ansätze

„Die Ökonomie hat der Wohlfahrt des Gemeinwesens zu dienen. Sie ist zu einem schonenden Umgang mit der gütigen Natur verpflichtet und an die Verantwortung für künftige Generationen gebunden.”, erklärte Carlowitz in seiner Lehre vom Wald. Er forderte eine globale, umfassende Betrachtung der Situation. Dass er mit seinen neuen Konzepten und drastischen Forderungen eher auf taube Ohren stoßen würde, wusste Carlowitz aber schon damals. In einer seiner Schriften erklärt er, der Mensch werde meist nur aktiv, wenn „uns das Wasser bis zum Hals und ins Maul reichet“, also wenn er dazu gezwungen ist. Heute gilt Carlowitz‘ Werk als Gründungsschrift der Forstwissenschaft.

Erst der Hesse Wilhelm Schlich, Professor für Forstwirtschaft in England, brachte das Wort in den englischsprachigen Raum. Um 1889 veröffentlichte er ein „Handbuch der Forstwirtschaft“, durch das er den Grundstein für die „sustainability“ legte, den heute weltweit bekannten Begriff für „Nachhaltigkeit“.

Etwas kommt ins Rollen

Bis ins zwanzigste Jahrhundert blieb der Begriff der Nachhaltigkeit auf die Försterei begrenzt. Die Naturschutzbewegung breitete ihn auf das gesamte Leben aus. 1913 fand in der Schweiz die erste Weltnaturschutzkonferenz statt, an der 17 Staaten teilnahmen. Durch die zwei Weltkriege erlebte die Bewegung einen Dämpfer, erst 1946 trat die erste internationale Umweltschutzvereinbarung in Kraft.

Seinen endgültigen Durchbruch hatte die Nachhaltigkeit in den siebziger Jahren. Die erste Weltumweltkonferenz findet statt, das UN-Weltumweltprogramm wird veröffentlicht, man fängt an, sich mit der Entwicklung der Welt zu beschäftigen, Umweltschutzorganisationen entstehen.

1987 setzt die UN die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung ein. Der Begriff der „nachhaltigen Entwicklung“, Jahrhunderte vorher von Carlowitz zum ersten Mal angestoßen, ist dadurch endgültig geprägt und bewirkt weltweit Diskussionen, Aktionen und Umschwünge.

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